Wie aktuell von mehreren Pressemedien berichtet wird, sollen von der Kanzlei U+C Rechtsanwälte im Auftrag der Firma "The Archive AG" rund 10.000 Abmahnungen wegen des Streamings von Pornofilmen auf der Online-Plattform Redtube.com versendet worden sein. Auch uns liegen die ersten Abmahnungen vor. Tatsächlich wird eine Urheberrechtsverletzung wegen des Streamings von Pornofilmen als illegale Vervielfältigung gem. §§ 16, 94f.UrhG behauptet und abgemahnt. Der Abgemahnte wird - ähnlich wie in den klassischen Fällen von Filesharing-Abmahnungen - aufgefordert, eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abzugeben sowie einen Betrag auf Schadensersatz, Ermittlungskosten und Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von insgesamt 250.- EUR zu zahlen.
Da es sich aktuell im Bereich der urheberrechtlichen Abmahnungen um eine der ersten Abmahnwellen wegen Streamings handelt, wollen wir den Sachverhalt für Sie ausführlicher darstellen und beleuchten:
Was ist der Hintergrund der neuen Abmahnwelle?
Zunächst muss herausgestellt werden, dass die ersten allgemeinen Informationen zu den tatsächlichen Hintergründen der Abmahnwelle und deren Rechtmäßigkeit mit Vorsicht zu genießen sind und daher genaustens überprüft werden sollten. Wie aufgezeigt, geht es bei den neuen Streaming-Abmahnungen offenbar nicht um die Nutzung einer Internettauschbörse (p2p-Technologie), wobei dies unserer Ansicht nach noch nicht sicher ausgeschlossen werden kann (hierzu unten mehr). Es ist derzeit insbesondere ungeklärt, wie die Abmahner an die Rohnutzerdaten der betroffenen Internetplattform, also IP-Adresse mit Datum- und Zeitstempel, gekommen sind und ob dies ggfs. unter Verstoß gegen datenschutzrechtliche Vorschriften erfolgt ist.
Aus den uns vorliegenden Abmahnungen geht hervor, dass die Datensätze der Anschlussinhaber und damit mutmaßlichen Internetnutzer über ein übliches Auskunftsverfahren beim Internet-Service-Provider (eigener Internetanbieter) nach § 101 Abs.9 UrhG gewonnen worden sein sollen, was einen üblichen Weg zur Ermittlung eines Internetanschlussinhabers darstellt. Auf welche Weise und aus welcher Quelle allerdings die "Roh-Nutzerdaten" der Internetplattform gewonnen worden sind und ob dies ggfs. unter Verstoß gegen das Datenschutzgeheimnis erfolgt ist, ist derzeit noch ungeklärt. Hierüber kursieren verschiedenste Gerüchte (vgl. z.B. die Meldung bei heise.de). So wird z.B. spekuliert, dass hinter der abzurufenden Mediendatei möglicherweise eine Schadsoftware steckt, die als Spyprogramm die IP-Adresse des Nutzers ausspäht und an eine Zieladresse sendet. Als weitere Möglichkeit wird die Umleitung über eine Vertipper-Domain in Betracht gezogen, über die ebenfalls eine rechtswidrige Datenausspähung erfolgen soll. Möglicherweise ist auch der Gebrauch einer speziellen Streaming-Software nicht auszuschließen, die ihren Ursprung in der p2p-Technologie hat (wie z.B. Sopcast, Acestream, Swarmplayer, pplive, bittorrent live). Diese Programme werden z.T. als Plug-In im Internetsbrowser angeboten und werden nach entsprechender Installation genutzt, ohne dass es dem Benutzer einleuchtet, dass er sich gerade unmittelbar der p2p-Technologie bedient und an einer rechtswidrigen Weiterverbreitung des urheberrechtlich geschützten Materials mitwirkt. Auf einen derartigen Vorwurf stützen sich die uns vorliegenden Abmahnungen indes jedoch nicht und auch hier wäre fraglich, wie die abmahnenden Rechteinhaber an die Nutzungsrohdaten der Mediendienste gekommen sind.
Kurzum: Die legale Gewinnung der IP-Datensätze erscheint höchst fraglich.
Sollte sich herausstellen, dass dem Auskunftsverfahren beim LG Köln (Az.: 229 O 149/13) eine rechtswidrige Datengewinnung zugrunde lag, hätte der Beschluss in der vorliegenden Form nicht erlassen werden dürfen. Dem Gericht ist hier wohl auch entgangen, dass es sich nicht um einen "klassischen" Fall des Filesharings, sondern der besondere Rechtsfall der Frage einer Urheberrechtsverletzung durch Streaming zur Entscheidung vorlag.
Was bedeutet eigentlich "Streaming" und warum soll dies Urheberrechte verletzen?
Unter "Streaming" versteht man die Nutzung des klassischen Internetfernsehens oder Web-TVs, also die Wiedergabe von Filmsequenzen mit hierfür vorgesehenden Wiedergabe-Playern, die als Plug-In in die Software von Internetbrowsern integriert sind oder gesondert installiert werden können. Die Streamingtechnologie bedient sich verschiedener Übertragungsprotokolle, die mit der Fortentwicklung der Technik und Erhöhung der allgemeinen Bandbreiten modifiziert worden sind. Beim "normalen" Streaming handelt es sich streng genommen um einen Downloadvorgang, bei dem die zur Anschauung gestellte Mediendatei auf dem PC zwischengespeichert wird und sodann sogleich wieder gelöscht wird. Beim p2p-Streaming wird auf die Filesharing-Technologie zurückgegriffen, bei der die Performance des Netzwerkes durch die Anzahl der Nutzer beeinflusst wird, jeder Nutzer mithin zugleich neben dem Download auch an der Verbreitung der Mediendateien unter seinem Internetanschluss mitwirkt.
Die abmahnenden Rechteinhaber vertreten die Ansicht, dass bereits durch das einfache Anschauen einer Streaming-Sequenz der Vorgang einer illegalen Vervielfältigung i.S.d. §§ 16, 94 UrhG erfüllt sei, die nur mit Einwilligung der Rechteinhaber legitimiert werden könne. Diese Rechtsansicht ist unter Experten jedoch höchst umstritten und in der Rechtsprechung keineswegs geklärt. Da die Beantwortung dieser streitigen Rechtsfrage u.a. unmittelbare Auswirkungen auf den größten Anbieter von Filmsequenzen YOUTUBE und ähnliche Anbieter hätte, ist davon auszugehen, dass es bei weiteren Abmahnungen in diesem Bereich alsbald zu einer richterlichen Klärung kommen wird.
Wie verhalte ich mich, wenn ich eine urheberrechtliche Abmahnung erhalten habe?
Abmahnungen aus dem Film-Genre Erotik / Sex / Porno fallen nicht nur durch ihre z.T. recht amüsierenden oder grob anstößigen Titel auf, sondern meist auch durch höhere Forderungen der Abmahner als in anderen Bereichen. Diesem Gebahren hat der Gesetzgeber seit dem 01.08.2013 mit einer weiteren Reform des Urheberrechts einen Riegel vorgeschoben und mit § 97a Abs.3 S.2 UrhG n.F. eine Streitwertgrenze von zunächst 1.000.- EUR für die erste Abmahnung eingeführt. Offenbar setzt die vorliegende Abmahnwelle gleichwohl auf den Scham-Faktor, wird in Anbetracht der streitigen Rechtsfragen und eines eigenen Prozessrisikos offenbar darauf gesetzt, dass aus Scham die Forderung beglichen wird. Das Ausmaß der Verpflichtung durch Abgabe der zugleich geforderten strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung und die Gefahr einer Vertragsstrafenverwirkung werden hierbei jedoch übersehen, so dass die Scham am Ende teuer bezahlt werden kann.
Wenn auch Sie eine urheberrechtliche Abmahnung wegen Urheberrechtsverletzung in Bezug auf das Anschauen von Video- / Filmsequenzen (Streaming) der o.g. Kanzlei oder einer anderen Rechtsanwaltskanzlei erhalten haben, sollten Sie die Abmahnung unbedingt vor Kontaktaufnahme mit der Gegenseite oder gar einer Zahlung anwaltlich überprüfen lassen. Ein auf das Urheberrecht spezialisierter Rechtsanwalt wird prüfen, ob die Anspruchsvoraussetzungen der §§ 97 I, II; 97a III UrhG im Ihrem Fall gegeben sind und gibt Ihnen Auskunft, welche Verteidigungsmöglichkeiten gegen die Abmahnung bestehen.
Nach unseren Erfahrungssätzen sind bei vielen Abmahnungen die gestellten Forderungen überhöht, zum Teil kann sich eine Abmahnung auch als insgesamt unwirksam herausstellen, z.B. wenn der Abmahner die eigene Aktivlegitimation nicht nachweisen kann oder sich die Abmahnung selbst als inhaltlich unbestimmt erweist.
In Bezug auf die vorliegenden Streaming-Abmahnungen werden Rechtsfragen des Datenschutzrechtes in Bezug auf eine rechtmäßige Auskunftserteilung eine Rolle spielen und die höchst streitige Frage einer illegalen Vervielfältigung nach § 16 UrhG durch die Gerichte zu klären sein. Wir sind der Ansicht, dass der Tatbestand des § 16 UrhG allein durch das Angucken eines Filmes im Internet via Streaming keine Urheberrechtsverletzung darstellt, wenn das Medium nicht zugleich dauerhaft gespeichert oder zugleich - wie beim Filesharing - durch den Nutzer weiterverbreitet wird. Diese Frage ist höchstrichterlich jedoch noch nicht geklärt.
Unterzeichnen Sie unter keinen Umständen die Ihnen vorgelegte strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung ungeprüft, da diese meist viel zu weitgehend zugunsten des Abmahners formuliert ist. Andererseits sind die mit der Abmahnung gesetzten Fristen zu beachten, da bei Untätigkeit ein kostspieliges einstweiliges Verfügungsverfahren drohen kann.
Beachten Sie, dass die von Ihnen unterzeichnete Unterlassungserklärung eine zeitliche Bindungswirkung von mindestens 30 Jahren (!!!) hat und im Falle eines erneuten Verstoßes eine Vertragsstrafe von mehreren tausend Euro drohen kann.
Ein spezialisierter Rechtsanwalt gibt Ihnen eine fundierte Rechtseinschätzung und Risikobewertung zu Ihrem Fall und hilft Ihnen das bestehende Kosten- und Prozessrisiko zu minimieren.
Wir beraten und vertreten Sie gern!
Soforthilfe erhalten Sie unter Tel.: 05622 / 799 741 und 0561 / 937 23 533.
Ansprechpartner: RA Ingmar T. Theiß